Verfassungsschutz tut not
Da wird ein (Zwischen) Gutachten des Verfassungsschutzes (VS) Berlin erstellt, das offenbar (noch) sachliche, fachliche Mängel aufweist. Relevante personelle Verbindungen, inhaltliche Parallelen, mit rechtsmilitanten und rechtsterroristischen Strukturen werden in ihm nicht genannt, noch sind sie präzise genug analysiert. So jedenfalls hört man.
Stellt sich die Frage: Geschieht das aus Ahnungslosigkeit, Inkompetenz, oder war schon dies Versuch einer absichtsvollen Funktionalisierung des Verfassungsschutzes? Es wäre für die Agenda der AfD selbstverständlich zentral, durch den VS in der Folge und Wirkung, einen einwandfreien Leumund bestätigt zu bekommen. Als dies zu misslingen scheint, entschließt sich ein Verfassungsschutzbeamter zu einer Erzählung, die aus den (möglicherweise absichtsvollen) Mängeln eines Gutachtens die Behauptung aufstellt, sie zu beheben sei ein fachlich nicht begründeter Versuch, zu einem gewünscht verschärften Ergebnis zu kommen. Und beginnt seine eigene Operation. In der Presse „Durchstechen“ genannt. Der zwielichtige Verwandte des Whistleblowers, wie interessierte Kreise es gerne in einen Topf werfen. Um damit die nächste Phase, den Zweck der nun angelaufenen Operation als emanzipatorische, als mutige Tat eines um die Demokratie besorgten Beamten zu erzählen.
Im vorliegenden Sachverhalt ein perfider Kollateralnutzen. Whistleblower werden in der Folge damit gleich mit übel beleumundet. Während man nun Whistleblowing gleichzeitig für sich beansprucht.
Spätestens an diesem Punkt scheint klar: Absichtsvoll. Erstaunlich, sollte dies einem subalternen Beamten aus lauter Inkompetenz und Leidenschaft sozusagen zufällig in den Sinn gekommen sein. Die katastrophale Bilanz des Verfassungsschutzes bei der Prävention, Aufklärung, Beweisermittlung: Das dreiste Auftreten vor Untersuchungsausschüssen und parlamentarischen Kontrollgremien in der Vergangenheit ist nicht Ausdruck und Ergebnis von schlecht ausgebildetem Personal.
Kann schon eine offensichtlich in der Folge ungeschönte, lückenhafte Stellungnahme des Verfassungsschutzes nicht verhindert werden, gibt ein bisher ungenannter Beamte nun der davon bedrohten Partei die Möglichkeit, sachlich und fachlich überprüfbar korrekte Arbeit des Verfassungsschutzes als Instrument des politischen Gegners zu denunzieren. Der darin innewohnende Verrat ist umfassender, als es die bloße Weitergabe einer Unterlage an zunächst einmal Unberechtigte darstellt. Das weiß schon jede Angestellte, jeder Beschäftigte, die einen Arbeitsvertrag unterschreiben. Selbstverständlich muss ein Whistleblower einen Vertrauensverstoß sachlich überprüfbar begründen. Muss der Verrat der Vertragsbruch, hinter das Aufklärungsinteresse, die Information, das öffentliche Interesse treten. Sachverhalte müssen für das demokratische Gemeinwesen, die politische Kultur, die soziale und ökonomische Realität von großer und also größerer Bedeutung sein, als das Recht der Auftraggeber und Vorgesetzen auf die Verschwiegenheit ihrer Untergebenen. Und sie müssen wahr sein. Nicht bloß der Wahrheit einer Partei dienen. Im vorliegenden Fall aber sollen Information, korrekte Sachverhalte und Kontexte in der Causa AfD verhindert werden. Das ist das präzise Gegenteil von dem, was Whistleblowing als mutigen Entschluss zur Aufklärung der Öffentlichkeit meint.
Konrad Adenauer hätte es wohl, wie auch die Personalie Maaßen, einen Abgrund von Landesverrat genannt. Hätte nicht auch der Alte den Landesverrat immer nur dort vermutet, wo schon demokratische und emanzipatorische Ziele als linksextremistische Umtriebe denunziert und kriminalisiert werden. Widersprechen sie der eigenen Haltung, Weltanschauung und Agenda.
Es ist ein geradezu idealtypisches Beispiel für die Taktik des parlamentarischen Arms des Rechtsterrorismus AfD: „Haltet den Dieb, ruft der Dieb“.
Es weist selbstverständlich über ein Lokalereignis der Landespolitik Berlins hinaus.
Der wiederholte Vorwurf, der VS sei nun plötzlich eine vom politischen Gegner gesteuerte Waffe, seit er sich auf gesellschaftlich-politischen Druck hin endlich ernsthaft, überprüfbar und fachlich fundiert mit der militanten Rechten beschäftigen muss, dokumentiert nur die Haltung, die die reaktionäre und autoritäre Rechte für sich selbst in Anspruch nimmt. Aber zum Verbrechen des politischen Gegners erklärt. Schon dies ist dem Wesen nach eine klassische Geheimdiensttaktik. Es zählt die Erzählung, die Deutungshoheit und unausgesetzte Wiederholung. Nicht der redlich ermittelte, belegbare Sachverhalt und Kontext.
Die Zweifel an der Funktion der (nicht nur Berliner) Verfassungsschutzbehörde, sind nicht aus der Luft gegriffen. Sie sind zudem historisch und nicht nur tagesaktuell begründet. Sie sind nicht der notorische Einzelfall eines Einzeltäters. Isoliert von Umfeld, Kontext, Struktur. Sie werden durch neue Vorfälle immer wieder aktualisiert. Das denkt sich kein Linksextremist aus. Auch kein Konkurrent, der mal tagesaktuell einen Innensenator beschädigen will. Um Herrn Geisel geht es hier nicht. Man wünscht sich von ihm den Mut, als verantwortlicher Verfassungssenator den Dingen auf den Grund zu gehen. Es beschädigt eine Politikerin, einen Politiker nicht, eine unangenehme Wirklichkeit, die ungelöste Aufgabe redlich zu analysieren und auszusprechen. Dasselbe gilt für das Ansehen der Behörde. Es beschädigte einen Senator, das parlamentarische Mandat, eine Behörde und gleich ihr gesamtes Personal, sind der Ruf und das Ansehen, der äußerliche Anschein wichtiger, als das, was mit schlimmen langzeit- und tagesaktuellen Folgen im Argen liegt.
Unerträglich der Gedanke, man hätte vielleicht manches Leben retten können, verfügten wir über einen besseren, professionelleren Verfassungsschutz. Dessen Aufstellung, Struktur – vor allem Geheimdienst-Wesenheit – übrigens nicht der Eigentümer der Funktion Verfassungsschutz ist. Wie zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen zeigen, die mehr über rechtsterroristische und antidemokratische Strukturen und Bestrebungen zu berichten, zu belegen und aufzuklären wissen, als der Verfassungsschutz in all den Jahrzehnten seiner Existenz.
Kritiker:innen können nicht dafür, dass die Wirklichkeit so ist, wie sie sich hier offenbart. Die Überbringer sind nicht die Verursacher der schlechten Nachricht. Die Behauptung, der politische Gegner wolle doch nur profitieren, soll die eigentliche Nachricht, die eigentlich dramatischen Sachverhalte übertünchen. Die aber sind das Thema. Darauf ist zu bestehen.
Wir haben nicht den Verfassungsschutz, den wir brauchen. Jenen, der in einem gesellschaftlichen Sinne nützlich ist. Er erkennt seit Jahrzehnten Bedrohungen für unser Gemeinwesen nicht.
Soll heißen: Verfassungsschutz ja und unbedingt. Aber wieso muss er dafür Geheimdienst sein?
Schon immer besteht die Hauptarbeit der Verfassungsschutzbehörden in der Recherche und Analyse öffentlich zugänglicher Quellen und Ereignisse. In der Regel ziemlich wenig geheim. Nur sehr aufwändig. Eine Frage der sachlichen, redlichen und wissenschaftlich-diskursiv transparenten Einordnung.
Wo Straftaten begründet befürchtet werden müssen, gar Ermittlungserkenntnisse bereits vorliegen, handelt es sich um klassische Polizeiarbeit. Die verdeckte Ermittlung und verdeckte Ermittler:innen im Rahmen rechtsstaatlicher Überprüfung durch Kontrollinstanzen ja kennt. Der demokratische Rechtsstaat braucht für diese Arbeit keine Agenten:innen, keinen Geheimdienst, keine Institution, die sich mit der Aura des Geheimnisvollen umgibt. Gerade diese Struktur ist es, die in der Vergangenheit an der eigentlichen Aufgabe gescheitert ist: Dem Verfassungsschutz und dem Schutz aller, die die Verfassung schützt.
Nicht kein Verfassungsschutz ist das Ziel der DIE LINKE, einer demokratischen Linken, oder Demokrat:innen überhaupt, die unser Gemeinwesen vor Zerstörung, Zersetzung, vor Angriffen auf Leib und Leben unserer Mitbürger:innen geschützt sehen wollen.
Verfassungsschutz der aufklärt, analysiert und wirklich schützt ist das Ziel.
Rico Prauss – Mitarbeiter Carola Bluhm
Auf der der Fischerinsel
Ecke Mühlendamm beginnt die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) ihr lange geplantes und viel mit den Anwohnern und der Stadtgesellschaft diskutiertes Bauprojekt. Bis Mitte 2021 soll die Baugrube ausgehoben sein, bis 2023 soll das Gebäude bezugsfertig sein. Insgesamt sind 210 Wohnungen in unterschiedlichen Größen geplant. Die Hälfte davon gefördert. Sieben Gewerbeeinheiten und eine Kita werden zusätzlich entstehen.
Sebastian Scheel, (DIE LINKE) Senator für Stadtentwicklung und Wohnen sagt dazu:
„Die WBM schafft mit diesem Bauvorhaben an einem städtebaulich und historisch sehr exponierten Ort dringend benötigten, bezahlbaren Wohnraum – die Hälfte davon als Sozialwohnungen. Viele Bürger*innen haben sich in die Erarbeitung des jetzt realisierten Entwurfs aktiv eingebracht und die von der WBM angebotenen Partizipationsmöglichkeiten genutzt. Das Projekt zeigt, dass es auch in der bereits dicht bebauten Berliner Innenstadt möglich ist, zusätzliche Wohnungen für breite Bevölkerungsschichten zu errichten.“
Rico Prauss Mitarbeiter
Geschichte einer Emanzipation
Der Nachbarschaftsrat KMA II entstand, weil es das Förderprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz gibt. Stadtplanungsamt und Prozesssteuerung der damit verbundenen, umfangreichen Bau- und Entwicklungsmaßnahmen hatten ein Interesse daran, die Mitwirkung der Anwohner*innen zu bündeln und somit einen vernetzten und strukturiert arbeitenden Partner zu haben. Der Gründung »von oben« folgte ein turbulenter Emanzipationsprozess, in dessen Ergebnis aus dem Rat ein Verein wurde, der den Verantwortlichen auf die Finger schaut, sich damit oft unbeliebt macht und versucht, die sehr heterogenen Interessen verschiedener Gruppen zu vertreten.
Es war vernünftig gedacht und es gab ein ehrliches Interesse seitens der politischen- und Planungsämter sowie deren Prozesssteuerung (KoSP GmbH), eine Interessenvertretung der Bürgerinnen und Bürger im Bauabschnitt II der Karl-Marx-Allee und in den angrenzenden Quartieren zu haben. Dahinter steckte aber auch – das ist nicht despektierlich – ein Kalkül. Denn einfacher ist, mit einer Interessenvertretung zu verhandeln, anstatt sich mit vielen einzelnen Bürgerinitiativen rumschlagen zu müssen.
Am Anfang traf man sich im »Babette«, die KoSP übernahm die Organisation, leitete die Sitzungen, unterbreitete Vorschläge, lenkte die Aufmerksamkeiten und fing mögliche Ausreißer bei den Themen ein. Sie machte das gut und moderierend, auch wenn sich eine beiderseits vorhandene Vorsicht nicht in Abrede stellen ließ. Das Babette war 2017 noch ein öffentlicher Ort und zugleich stand es symbolisch für vieles, was in den Jahrzehnten nach der Wende, auch seitens der Politik, in der KMA II schiefgelaufen war. Der Babette-Pavillon gehört einem Mann, der mit diesem öffentlichen Raum machen konnte, was er wollte. Und es dann auch tat. Was man ihm zwar vorwerfen könnte, aber letztlich hat er nur die Chance genutzt, als mit dem Café Moskau und dem Babette schönes Tafelsilber verscherbelt wurde.
Spannend und letztlich erfolgsentscheidend war schon zu Beginn der Ära Nachbarschaftsrat (NBR) die Frage, ob sich die engagierten Mitglieder vorrangig würden für Partikularinteressen einsetzen (mein Block, meine Wiese, der Neubau vor meiner Nase, mein Vermieter) oder ob sie tatsächlich Lust, Ausdauer und erarbeitete Expertise haben würden, das gesamte Quartier im Blick zu behalten und übergreifende Interessen zu identifizieren.
Man kann heute sagen: Das ist gelungen. Und: Es war und ist ein extrem mühsamer Weg. Schon die Loslösung von der KoSP – ein notwendiger Schritt, um wirkliche Interessensvertretung sein und auf Augenhöhe streiten und verhandeln zu können – hin zu einem eigenständigen, aber dann eben auch sehr auf sich selbst gestellten, Verein war eine extrem anstrengende Angelegenheit. Allein die Diskussion über eine Satzung, die zugleich inhaltliche Arbeitsgrundlage als auch papiergewordene Festlegung einer praktikablen, transparenten und möglichst einladenden Organisation sein sollte, hat die überschaubar große, aber auch nicht kleine Gruppe Nerven gekostet. Es hätte passieren können, dass alles auseinanderfliegt – zu heterogen schienen oft die Interessen, zu schwierig war es für viele, Beruf, Familie und recht aufwendiges ehrenamtliches Engagement zu vereinbaren, zu unterschiedlich oft die Meinungen zu bestimmten Themen.
Ist trotzdem geworden und ins Arbeiten gekommen. Aus mancher Not entstand eine Tugend. Wenn die Interessen so verschieden sind, bündelt man sie am besten in Arbeitsgruppen. Hier werden die einen zu Spezialist*innen für ambulante medizinische Versorgung oder das leidige Thema »Haus der Gesundheit«, dort erarbeiten sich andere eine Expertise für Stadtgrün, wissen genau, wann wo welcher Baum gefällt wurde, welche Pläne es bei den Nachverdichtungen für den Erhalt von Stadtgrün gibt.
Überhaupt Grün. Das Thema ist mehr und mehr zum Dreh- und Angelpunkt vieler Initiativen des NBR geworden. Es regt die Menschen im Quartier auf und die vielen vergeblichen Kämpfe und Bemühungen um zum Beispiel den Erhalt alter Bäume, insektenfreundliches Grün, Neupflanzungen und Pflege sind schon legendär. In den Räumlichkeiten des Vereins, der im alten Ambulatorium Schillingstraße vorläufig untergekommen ist, hängt eine Karte, auf der – als stellte man eine Schlacht nach, was ja nicht ganz falsch ist – die gefällten Bäume eingezeichnet sind.
Dass der Verein sich nicht nur einen Namen gemacht hat, sondern auch in der Lage ist, so richtig was auf die Beine zu stellen, hat sich 2019 gezeigt, als er alleiniger Organisator eines Nachbarschaftsfestes in der Schillingstraße war. Allerdings hat genau diese aufwendige Arbeit auch gezeigt, wo die Grenzen für ehrenamtliches Engagement liegen. Einige wenige (am Ende sind es immer wenige) haben sich sozusagen eine unbezahlte Vollzeitstelle geteilt. Es war ein tolles Fest. Aber klar war auch: Das schafft der Verein nicht noch einmal.
Bürger*innenbeteiligung scheitert oft daran, dass Verwaltungen und Politik natürlich einen viel längeren Atem haben. Probleme können ausgesessen, Beteiligungen so aufwendig gestaltet werden, dass berufstätige Ehrenamtliche zeitlich überfordert sind (wie sich am Werkstattverfahren Haus der Statistik zeigt), Verwaltungswege und -entscheidungen sind oft so undurchsichtig, dass sich Resignation breitmacht, und manchmal ist schwer zu durchschauen, was Schaufensterpolitik und was ein ernsthaftes Kooperationsangebot der Politik an die Bürgerengagierten ist.
Dann kam Corona und die Arbeit des Vereins geriet ins Stocken. Nach langer Pause und ziemlicher Funkstille trafen sich die Leute am 30. Juni zum ersten Mal wieder. Es war ein bisschen, als wäre man vom Krankenlager aufgestanden und stelle glücklich fest, dass alle noch da sind. Fast alle. Und es wurde deutlich, dass sich die Themen Grün, Quartiersentwicklung, Bauen, Verdichtung und Bürgerbeteiligung an der Spitze der Dringlichkeiten gehalten haben. Vor allem die Beteiligung im Sinne auch eines Mitsprachrechts – und zwar nicht erst, wenn die Bäume gefällt, die Entscheidungen getroffen, die Baupläne fix sind – scheint die größte Hürde und zugleich die lohnendste Aufgabe. Daran wird sich letztlich auch zeigen, ob der Nachbarschaftsrat nur willkommenes Feigenblatt für Politik und Verwaltung oder ernstzunehmender Partner ist. Die Skepsis, das gehört zur Wahrheit, ist groß. Zu viele Anfragen, Bitten, Vorschläge sind bereits in den teilweise schwer durchschaubaren Strukturen der Verwaltung und politischen Entscheidungsfindung versandet. Ehrenamtliches Engagement hat zwar oft einen langen Atem, aber müde werden kann es auch, wenn am Ende immer nur freundliche Unverbindlichkeit folgt.
Kathrin Gerlof
Dieser Text erschien in der Zeitschrift „H#4“, Henselmann 2020-1 Beiträge zur Stadtpolitik, herausgegeben von der Henselmann-Stiftung in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Das Quartier und seine Menschen
KMA II ist Teil des großen Bezirks Berlin-Mitte, der zu den sozial benachteiligten Bezirken der Hauptstadt gehört, ein junger und sehr diverser Bezirk ist (fast 52 Prozent der Menschen verfügen über eine sogenannte Zuwanderungserfahrung). Das Pro-Kopf-Einkommen beträgt 1075 Euro, das sind 400 Euro weniger, als zum Beispiel in Pankow.
Man kann bei der KMA II jedoch von einer recht homogenen, gewachsenen, stabilen Nachbarschaft reden: höhere Einkommen und Renten und wenig Menschen mit Zuwanderungserfahrungen, aber auch oft höherer Altersdurchschnitt. Viele wohnen seit den 60er Jahren hier. Das hat auch mit der Zusammensetzung der Wohneigentümer zu tun – zum großen Teil sind es Kommunale Gesellschaften und Genossenschaften, was die Mietstruktur prägt. Wer nicht ununterbrochen mit existenziellen Sorgen zu kämpfen hat, ist eher in der Lage, sich ehrenamtlich, gesellschaftlich zu engagieren. Das zeigt sich auch an einer Erfolgsgeschichte, wie sie der Nachbarschaftsrat schreibt.
Mit weniger Freiheitsrechten…
…wird staatliches Versagen bezahlt.
Linke Politik, die aus der Geschichte gelernt hat, darf Freiheitsrechte nicht gering schätzen. Freiheitsrechte zu verteidigen, gehört zur DNA linker, emanzipatorischer Politik – weil sie Grundlage für eine Gesellschaft sind, in der die freie Entwicklung des Einzelnen Bedingung für die freie Entwicklung Aller ist. Ohne Freiheitsrechte lässt sich gesellschaftlicher Fortschritt nicht erstreiten und auch keine sozial gerechte Politik.
Halina Wawzyniak und Udo Wolf über die Schieflage bei den krisenpolitischen Maßnahmen in einem aktuellen Beitrag für den Blog der Rosa Luxemburg Stiftung hier.
Wie es kommen soll
Gerade scheint es, als ließe sich über die Zukunft nicht viel sagen. Das hat mit Covid-19 zu tun, diesem Virus, dem man den Namen einer Biermarke gegeben hat, weil er aussieht, als trüge er eine Krone. Oder besser eine Corona. Wie sehr diese Wochen die Stadt verändern werden, wie groß die Auswirkungen auf unsere wirtschaftlichen Grundlagen, das Alltagsleben und die Existenzsicherung viele Menschen sein werden, kann gegenwärtig niemand sagen. Deshalb stellt sich ganz sicher in einigen Wochen oder Monaten auch die Frage, ob jene Papiere, die heute oder gestern für die nahe und fernere Zukunft geschrieben worden sind, dann noch in allen Teilen Bestand haben werden. Denn dass der Virus einhergeht mit einer ökonomischen-, sozialen und Alltagskrise ist gewiss. Und dafür werden Vorschläge unterbreitet und Antworten gegeben werden müssen. Wahrscheinlich werden sich auch Prioritäten ändern, wobei die grundlegende Priorität – eine solidarische Stadt für alle – sein zu wollen, Bestand haben wird. Um Solidarität geht es jetzt allenthalben und sie wird jeder und jedem abverlangt. Das mag wie eine allgemeine Formel klingen, ist aber gerade lebenswichtig.
Am 6. März fand eine Klausur der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus statt. Die Ergebnisse dieser Klausur, die dort beratenen Arbeitspapiere sind hier gut zusammengefasst und nachzulesen.
Die formulierten Aufgaben werden auch nach der alles umwälzenden Krise Bestand haben, nur wird die Ausgangslage, auf der sich aufbauen lässt, eine andere sein. Es werden Trümmer fortgeräumt und Lehren gezogen werden müssen. Denn der immer noch vorhandener Personalnotstand in den Verwaltungen, eine aufgrund vieler und nicht ausreichend guter, vor allem bundespolitischer Entscheidungen der Vergangenheit in Bezug auf unser Gesundheitssystem werden dazu beitragen (hoffentlich), dass wir neu über Ausstattung öffentlicher Daseinsvorsorge, über Bezahlung und Nachwuchsgewinnung, über die Situation in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen reden.
Umso schwerer wiegt der Satz in dem Thesenpapier der Linksfraktion zu den kommenden Aufgaben: „Ein zentrales Vorhaben von R2G war und ist es, endlich wieder in die öffentlichen Strukturen zu investieren und diese an den Anforderungen einer wachsenden Stadt auszurichten.“ Dem muss nun hinzugefügt werden, dass diese Strukturen auch den Anforderungen gerecht werden müssen, die künftige Krisen (egal, ob sie Pandemie oder anders heißen) an uns stellen werden.
Wir sind jetzt darauf angewiesen, dass alle Strukturen ausreichend belastbar sind. Was auch bedeutet, dass sie mit teilweise großen Einnahmeausfällen (BVG zum Beispiel im Falle einer Ausgangssperre, aber ganz gewiss auch jetzt schon, Kultureinrichtungen jeder Größe) werden klarkommen müssen, oder eben mit einer Überstrapazierung aller vorhandenen Ressourcen.
Wir sind gleichzeitig darauf angewiesen, dass auch in diesen Zeiten jene Themen, die uns noch vor wenigen Wochen hauptsächlich beschäftigt haben (Klimakrise, Mieten, Wohnungsmangel) nicht aus den Augen geraten.
Gerade merken wir, wie schön es wäre, jetzt schon eine wirklich radgerechte Infrastruktur zu haben, denn Fahrradfahren ist gegenwärtig noch die ungefährlichste Art, sich durch die Stadt zu bewegen, was die Gefahr von Infizierung mit Corona anbelangt.
Als das Fraktions-Arbeitspapier „Gute Arbeit für Berlin“, Teil II auf der Klausur diskutiert wurde, war auch noch nicht klar, dass nun voraussichtlich sehr viele Solo-Selbstständige und Freiberufler*innen in existenzielle Not geraten werden. Trotzdem bleibt der Satz aus dem Papier bestehen und wichtig: „Für linke Arbeitspolitik ist dabei vor allem von Bedeutung, dass sie (die Politik, Anm. Autorin) zum Beispiel eine Antwort auf die Frage findet, wie man die soziale Sicherung und Organisierung von Soloselbstständigen sowie Crowd-, Cloud- und Plattformworker*innen gestalten und bereits existierende Konzepte für solidarische an den Interessen der Beschäftigten orientierte Plattformmodelle fördern und zu Geltung bringen kann. Es wäre gut, wenn unsere Stadt nach der Krise nicht um viele kreative Künstler*innen, Projekte, Freiberufler*innen ärmer ist. Darauf konzentriert sich jetzt Politik. Kultursenator Klaus Lederer hat sich hier dazu geäußert, was die Politik gegenwärtig tun will und tun wird, um den Betroffenen unbürokratisch und schnell zu helfen.
Die kommenden Wochen und Monate werden ein Stresstest für die Stadt und die Menschen, die in ihr leben. Eine Regierung, die das Wort „solidarisch“ schon vor der Krise sozusagen zur Grundlage ihres Koalitionsvertrages gemacht hat, wird die Krise und die aus der Krise folgenden Nach-Krisen meistern. Ich hätte nicht gedacht, das Wort „alternativlos“ mal freiwillig zu benutzen. Aber hier gehört es hin.
Kathrin Gerlof Mitarbeiterin
Hier eine Linksammlung. Informieren Sie sich nur aus seriösen Quellen. Die Sachstände ändern sich kurzfristig. Achten Sie auf Aktualität und Verfasser*in der Informationen.
Medizinische Informationen /Stand der Pandemie:
Johns Hopkins Universität aktueller Stand der Pandemie weltweit
In vielen Sprachen grundsätzliche medizinische Informationen zu Corona /Covid 19 /SARS-CoV-2 auch zum ausdrucken.
Vom grossartigen Projekt Ethno-Medizinisches Zentrum e.V. Hannover.
Informationen zu Arbeit, Arbeitsrecht, Einkommen:
Informationen und Angebote zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen von COVID-19
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Arbeitsrecht nach staatlicher Erklärung des Katastrophenfalls
Corona: Was Beschäftigte wissen müssen
Kurzarbeit in der Corona-Krise
Insolvenz des Arbeitgebers durch die Corona-Pandemie
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Der regierende Bürgermeister von Berlin
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