Auf der der Fischerinsel
Ecke Mühlendamm beginnt die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) ihr lange geplantes und viel mit den Anwohnern und der Stadtgesellschaft diskutiertes Bauprojekt. Bis Mitte 2021 soll die Baugrube ausgehoben sein, bis 2023 soll das Gebäude bezugsfertig sein. Insgesamt sind 210 Wohnungen in unterschiedlichen Größen geplant. Die Hälfte davon gefördert. Sieben Gewerbeeinheiten und eine Kita werden zusätzlich entstehen.
Sebastian Scheel, (DIE LINKE) Senator für Stadtentwicklung und Wohnen sagt dazu:
„Die WBM schafft mit diesem Bauvorhaben an einem städtebaulich und historisch sehr exponierten Ort dringend benötigten, bezahlbaren Wohnraum – die Hälfte davon als Sozialwohnungen. Viele Bürger*innen haben sich in die Erarbeitung des jetzt realisierten Entwurfs aktiv eingebracht und die von der WBM angebotenen Partizipationsmöglichkeiten genutzt. Das Projekt zeigt, dass es auch in der bereits dicht bebauten Berliner Innenstadt möglich ist, zusätzliche Wohnungen für breite Bevölkerungsschichten zu errichten.“
Rico Prauss Mitarbeiter
Geschichte einer Emanzipation
Der Nachbarschaftsrat KMA II entstand, weil es das Förderprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz gibt. Stadtplanungsamt und Prozesssteuerung der damit verbundenen, umfangreichen Bau- und Entwicklungsmaßnahmen hatten ein Interesse daran, die Mitwirkung der Anwohner*innen zu bündeln und somit einen vernetzten und strukturiert arbeitenden Partner zu haben. Der Gründung »von oben« folgte ein turbulenter Emanzipationsprozess, in dessen Ergebnis aus dem Rat ein Verein wurde, der den Verantwortlichen auf die Finger schaut, sich damit oft unbeliebt macht und versucht, die sehr heterogenen Interessen verschiedener Gruppen zu vertreten.
Es war vernünftig gedacht und es gab ein ehrliches Interesse seitens der politischen- und Planungsämter sowie deren Prozesssteuerung (KoSP GmbH), eine Interessenvertretung der Bürgerinnen und Bürger im Bauabschnitt II der Karl-Marx-Allee und in den angrenzenden Quartieren zu haben. Dahinter steckte aber auch – das ist nicht despektierlich – ein Kalkül. Denn einfacher ist, mit einer Interessenvertretung zu verhandeln, anstatt sich mit vielen einzelnen Bürgerinitiativen rumschlagen zu müssen.
Am Anfang traf man sich im »Babette«, die KoSP übernahm die Organisation, leitete die Sitzungen, unterbreitete Vorschläge, lenkte die Aufmerksamkeiten und fing mögliche Ausreißer bei den Themen ein. Sie machte das gut und moderierend, auch wenn sich eine beiderseits vorhandene Vorsicht nicht in Abrede stellen ließ. Das Babette war 2017 noch ein öffentlicher Ort und zugleich stand es symbolisch für vieles, was in den Jahrzehnten nach der Wende, auch seitens der Politik, in der KMA II schiefgelaufen war. Der Babette-Pavillon gehört einem Mann, der mit diesem öffentlichen Raum machen konnte, was er wollte. Und es dann auch tat. Was man ihm zwar vorwerfen könnte, aber letztlich hat er nur die Chance genutzt, als mit dem Café Moskau und dem Babette schönes Tafelsilber verscherbelt wurde.
Spannend und letztlich erfolgsentscheidend war schon zu Beginn der Ära Nachbarschaftsrat (NBR) die Frage, ob sich die engagierten Mitglieder vorrangig würden für Partikularinteressen einsetzen (mein Block, meine Wiese, der Neubau vor meiner Nase, mein Vermieter) oder ob sie tatsächlich Lust, Ausdauer und erarbeitete Expertise haben würden, das gesamte Quartier im Blick zu behalten und übergreifende Interessen zu identifizieren.
Man kann heute sagen: Das ist gelungen. Und: Es war und ist ein extrem mühsamer Weg. Schon die Loslösung von der KoSP – ein notwendiger Schritt, um wirkliche Interessensvertretung sein und auf Augenhöhe streiten und verhandeln zu können – hin zu einem eigenständigen, aber dann eben auch sehr auf sich selbst gestellten, Verein war eine extrem anstrengende Angelegenheit. Allein die Diskussion über eine Satzung, die zugleich inhaltliche Arbeitsgrundlage als auch papiergewordene Festlegung einer praktikablen, transparenten und möglichst einladenden Organisation sein sollte, hat die überschaubar große, aber auch nicht kleine Gruppe Nerven gekostet. Es hätte passieren können, dass alles auseinanderfliegt – zu heterogen schienen oft die Interessen, zu schwierig war es für viele, Beruf, Familie und recht aufwendiges ehrenamtliches Engagement zu vereinbaren, zu unterschiedlich oft die Meinungen zu bestimmten Themen.
Ist trotzdem geworden und ins Arbeiten gekommen. Aus mancher Not entstand eine Tugend. Wenn die Interessen so verschieden sind, bündelt man sie am besten in Arbeitsgruppen. Hier werden die einen zu Spezialist*innen für ambulante medizinische Versorgung oder das leidige Thema »Haus der Gesundheit«, dort erarbeiten sich andere eine Expertise für Stadtgrün, wissen genau, wann wo welcher Baum gefällt wurde, welche Pläne es bei den Nachverdichtungen für den Erhalt von Stadtgrün gibt.
Überhaupt Grün. Das Thema ist mehr und mehr zum Dreh- und Angelpunkt vieler Initiativen des NBR geworden. Es regt die Menschen im Quartier auf und die vielen vergeblichen Kämpfe und Bemühungen um zum Beispiel den Erhalt alter Bäume, insektenfreundliches Grün, Neupflanzungen und Pflege sind schon legendär. In den Räumlichkeiten des Vereins, der im alten Ambulatorium Schillingstraße vorläufig untergekommen ist, hängt eine Karte, auf der – als stellte man eine Schlacht nach, was ja nicht ganz falsch ist – die gefällten Bäume eingezeichnet sind.
Dass der Verein sich nicht nur einen Namen gemacht hat, sondern auch in der Lage ist, so richtig was auf die Beine zu stellen, hat sich 2019 gezeigt, als er alleiniger Organisator eines Nachbarschaftsfestes in der Schillingstraße war. Allerdings hat genau diese aufwendige Arbeit auch gezeigt, wo die Grenzen für ehrenamtliches Engagement liegen. Einige wenige (am Ende sind es immer wenige) haben sich sozusagen eine unbezahlte Vollzeitstelle geteilt. Es war ein tolles Fest. Aber klar war auch: Das schafft der Verein nicht noch einmal.
Bürger*innenbeteiligung scheitert oft daran, dass Verwaltungen und Politik natürlich einen viel längeren Atem haben. Probleme können ausgesessen, Beteiligungen so aufwendig gestaltet werden, dass berufstätige Ehrenamtliche zeitlich überfordert sind (wie sich am Werkstattverfahren Haus der Statistik zeigt), Verwaltungswege und -entscheidungen sind oft so undurchsichtig, dass sich Resignation breitmacht, und manchmal ist schwer zu durchschauen, was Schaufensterpolitik und was ein ernsthaftes Kooperationsangebot der Politik an die Bürgerengagierten ist.
Dann kam Corona und die Arbeit des Vereins geriet ins Stocken. Nach langer Pause und ziemlicher Funkstille trafen sich die Leute am 30. Juni zum ersten Mal wieder. Es war ein bisschen, als wäre man vom Krankenlager aufgestanden und stelle glücklich fest, dass alle noch da sind. Fast alle. Und es wurde deutlich, dass sich die Themen Grün, Quartiersentwicklung, Bauen, Verdichtung und Bürgerbeteiligung an der Spitze der Dringlichkeiten gehalten haben. Vor allem die Beteiligung im Sinne auch eines Mitsprachrechts – und zwar nicht erst, wenn die Bäume gefällt, die Entscheidungen getroffen, die Baupläne fix sind – scheint die größte Hürde und zugleich die lohnendste Aufgabe. Daran wird sich letztlich auch zeigen, ob der Nachbarschaftsrat nur willkommenes Feigenblatt für Politik und Verwaltung oder ernstzunehmender Partner ist. Die Skepsis, das gehört zur Wahrheit, ist groß. Zu viele Anfragen, Bitten, Vorschläge sind bereits in den teilweise schwer durchschaubaren Strukturen der Verwaltung und politischen Entscheidungsfindung versandet. Ehrenamtliches Engagement hat zwar oft einen langen Atem, aber müde werden kann es auch, wenn am Ende immer nur freundliche Unverbindlichkeit folgt.
Kathrin Gerlof
Dieser Text erschien in der Zeitschrift „H#4“, Henselmann 2020-1 Beiträge zur Stadtpolitik, herausgegeben von der Henselmann-Stiftung in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Das Quartier und seine Menschen
KMA II ist Teil des großen Bezirks Berlin-Mitte, der zu den sozial benachteiligten Bezirken der Hauptstadt gehört, ein junger und sehr diverser Bezirk ist (fast 52 Prozent der Menschen verfügen über eine sogenannte Zuwanderungserfahrung). Das Pro-Kopf-Einkommen beträgt 1075 Euro, das sind 400 Euro weniger, als zum Beispiel in Pankow.
Man kann bei der KMA II jedoch von einer recht homogenen, gewachsenen, stabilen Nachbarschaft reden: höhere Einkommen und Renten und wenig Menschen mit Zuwanderungserfahrungen, aber auch oft höherer Altersdurchschnitt. Viele wohnen seit den 60er Jahren hier. Das hat auch mit der Zusammensetzung der Wohneigentümer zu tun – zum großen Teil sind es Kommunale Gesellschaften und Genossenschaften, was die Mietstruktur prägt. Wer nicht ununterbrochen mit existenziellen Sorgen zu kämpfen hat, ist eher in der Lage, sich ehrenamtlich, gesellschaftlich zu engagieren. Das zeigt sich auch an einer Erfolgsgeschichte, wie sie der Nachbarschaftsrat schreibt.
Mit weniger Freiheitsrechten…
…wird staatliches Versagen bezahlt.
Linke Politik, die aus der Geschichte gelernt hat, darf Freiheitsrechte nicht gering schätzen. Freiheitsrechte zu verteidigen, gehört zur DNA linker, emanzipatorischer Politik – weil sie Grundlage für eine Gesellschaft sind, in der die freie Entwicklung des Einzelnen Bedingung für die freie Entwicklung Aller ist. Ohne Freiheitsrechte lässt sich gesellschaftlicher Fortschritt nicht erstreiten und auch keine sozial gerechte Politik.
Halina Wawzyniak und Udo Wolf über die Schieflage bei den krisenpolitischen Maßnahmen in einem aktuellen Beitrag für den Blog der Rosa Luxemburg Stiftung hier.
Wie es kommen soll
Gerade scheint es, als ließe sich über die Zukunft nicht viel sagen. Das hat mit Covid-19 zu tun, diesem Virus, dem man den Namen einer Biermarke gegeben hat, weil er aussieht, als trüge er eine Krone. Oder besser eine Corona. Wie sehr diese Wochen die Stadt verändern werden, wie groß die Auswirkungen auf unsere wirtschaftlichen Grundlagen, das Alltagsleben und die Existenzsicherung viele Menschen sein werden, kann gegenwärtig niemand sagen. Deshalb stellt sich ganz sicher in einigen Wochen oder Monaten auch die Frage, ob jene Papiere, die heute oder gestern für die nahe und fernere Zukunft geschrieben worden sind, dann noch in allen Teilen Bestand haben werden. Denn dass der Virus einhergeht mit einer ökonomischen-, sozialen und Alltagskrise ist gewiss. Und dafür werden Vorschläge unterbreitet und Antworten gegeben werden müssen. Wahrscheinlich werden sich auch Prioritäten ändern, wobei die grundlegende Priorität – eine solidarische Stadt für alle – sein zu wollen, Bestand haben wird. Um Solidarität geht es jetzt allenthalben und sie wird jeder und jedem abverlangt. Das mag wie eine allgemeine Formel klingen, ist aber gerade lebenswichtig.
Am 6. März fand eine Klausur der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus statt. Die Ergebnisse dieser Klausur, die dort beratenen Arbeitspapiere sind hier gut zusammengefasst und nachzulesen.
Die formulierten Aufgaben werden auch nach der alles umwälzenden Krise Bestand haben, nur wird die Ausgangslage, auf der sich aufbauen lässt, eine andere sein. Es werden Trümmer fortgeräumt und Lehren gezogen werden müssen. Denn der immer noch vorhandener Personalnotstand in den Verwaltungen, eine aufgrund vieler und nicht ausreichend guter, vor allem bundespolitischer Entscheidungen der Vergangenheit in Bezug auf unser Gesundheitssystem werden dazu beitragen (hoffentlich), dass wir neu über Ausstattung öffentlicher Daseinsvorsorge, über Bezahlung und Nachwuchsgewinnung, über die Situation in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen reden.
Umso schwerer wiegt der Satz in dem Thesenpapier der Linksfraktion zu den kommenden Aufgaben: „Ein zentrales Vorhaben von R2G war und ist es, endlich wieder in die öffentlichen Strukturen zu investieren und diese an den Anforderungen einer wachsenden Stadt auszurichten.“ Dem muss nun hinzugefügt werden, dass diese Strukturen auch den Anforderungen gerecht werden müssen, die künftige Krisen (egal, ob sie Pandemie oder anders heißen) an uns stellen werden.
Wir sind jetzt darauf angewiesen, dass alle Strukturen ausreichend belastbar sind. Was auch bedeutet, dass sie mit teilweise großen Einnahmeausfällen (BVG zum Beispiel im Falle einer Ausgangssperre, aber ganz gewiss auch jetzt schon, Kultureinrichtungen jeder Größe) werden klarkommen müssen, oder eben mit einer Überstrapazierung aller vorhandenen Ressourcen.
Wir sind gleichzeitig darauf angewiesen, dass auch in diesen Zeiten jene Themen, die uns noch vor wenigen Wochen hauptsächlich beschäftigt haben (Klimakrise, Mieten, Wohnungsmangel) nicht aus den Augen geraten.
Gerade merken wir, wie schön es wäre, jetzt schon eine wirklich radgerechte Infrastruktur zu haben, denn Fahrradfahren ist gegenwärtig noch die ungefährlichste Art, sich durch die Stadt zu bewegen, was die Gefahr von Infizierung mit Corona anbelangt.
Als das Fraktions-Arbeitspapier „Gute Arbeit für Berlin“, Teil II auf der Klausur diskutiert wurde, war auch noch nicht klar, dass nun voraussichtlich sehr viele Solo-Selbstständige und Freiberufler*innen in existenzielle Not geraten werden. Trotzdem bleibt der Satz aus dem Papier bestehen und wichtig: „Für linke Arbeitspolitik ist dabei vor allem von Bedeutung, dass sie (die Politik, Anm. Autorin) zum Beispiel eine Antwort auf die Frage findet, wie man die soziale Sicherung und Organisierung von Soloselbstständigen sowie Crowd-, Cloud- und Plattformworker*innen gestalten und bereits existierende Konzepte für solidarische an den Interessen der Beschäftigten orientierte Plattformmodelle fördern und zu Geltung bringen kann. Es wäre gut, wenn unsere Stadt nach der Krise nicht um viele kreative Künstler*innen, Projekte, Freiberufler*innen ärmer ist. Darauf konzentriert sich jetzt Politik. Kultursenator Klaus Lederer hat sich hier dazu geäußert, was die Politik gegenwärtig tun will und tun wird, um den Betroffenen unbürokratisch und schnell zu helfen.
Die kommenden Wochen und Monate werden ein Stresstest für die Stadt und die Menschen, die in ihr leben. Eine Regierung, die das Wort „solidarisch“ schon vor der Krise sozusagen zur Grundlage ihres Koalitionsvertrages gemacht hat, wird die Krise und die aus der Krise folgenden Nach-Krisen meistern. Ich hätte nicht gedacht, das Wort „alternativlos“ mal freiwillig zu benutzen. Aber hier gehört es hin.
Kathrin Gerlof Mitarbeiterin
Hier eine Linksammlung. Informieren Sie sich nur aus seriösen Quellen. Die Sachstände ändern sich kurzfristig. Achten Sie auf Aktualität und Verfasser*in der Informationen.
Medizinische Informationen /Stand der Pandemie:
Johns Hopkins Universität aktueller Stand der Pandemie weltweit
In vielen Sprachen grundsätzliche medizinische Informationen zu Corona /Covid 19 /SARS-CoV-2 auch zum ausdrucken.
Vom grossartigen Projekt Ethno-Medizinisches Zentrum e.V. Hannover.
Informationen zu Arbeit, Arbeitsrecht, Einkommen:
Informationen und Angebote zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen von COVID-19
Ver.di und Freie /Solo-Selbständige
Arbeitsrecht nach staatlicher Erklärung des Katastrophenfalls
Corona: Was Beschäftigte wissen müssen
Kurzarbeit in der Corona-Krise
Insolvenz des Arbeitgebers durch die Corona-Pandemie
Offizielle /amtliche Verordnungen und Ansagen:
Der regierende Bürgermeister von Berlin
Die Bundesregierung auch in Englisch und Französisch
Hilfe, Unterstützung, Anleitungen:
Nachbarschaftshilfe anbieten oder erbitten über nebenan.de
mit Hotline Telefon für Hilfe-Gesuche 0800-866 55 44 Alternativ: 07172 93 400 48
Kostenloser Homeoffice-Guide: Produktiv arbeiten trotz Corona
Der Webzeugkoffer des Paritätischen Gesamtverbandes für die digitale Kommunikation
Politik, Meinung, Information, Berichterstattung:
Der Corona-Blog des RBB mit regionalerem Blick
Refugee Radio des WDR auch in Arabisch
Linksfraktion-Berlin Mitte aktuelle Mitteilungen auf YouTube
Linksfraktion im Abgeordnetenhaus
Was die Bundespartei DIE LINKE sagt
Wie schön wäre das denn?
Schon fast ganz Routine war beim zweiten Durchgang die Nutzung der elektronischen Abstimmung und deutlich wird die Zeitersparnis, was das Digitale ja immer verspricht, aber nicht unbedingt immer hält. In dem Fall aber doch.
Die BVV tagte am 20. Februar, hier ist wie immer ein Überblick auf der Webseite der linken Bezirksfraktion zu finden, Andreas Böttger hat sich wieder als Meister der gut sortierten Information bewiesen. Die Besucher*innenstühle waren vollständig besetzt und viele Gäste harrten so lange aus, bis der sie umtreibende Tagesordnungspunkt aufgerufen wurde. Dazu später. Denn der Beginn der BVV stand unter dem Zeichen der Ereignisse in Hanau. Berührende Worte, eine Schweigeminute und nein, man ging dann irgendwie nicht einfach zur Tagesordnung über. Oder doch, denn es muss ja sein, aber spürbar war, dass Hanau sozusagen im Raum steht. Zumal als dann eine Große Anfrage der AfD zu den Einbürgerungen im Bezirk beantwortet werden musste.Einbürgerung, das ist für viele Menschen, die Zuflucht in Deutschland oder aus weniger tragischen Gründen Deutschland als ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben, ein wunderbares Ereignis. Sie bekommen die deutsche Staatsbürger*innenschaft, was ihnen von da an ermöglicht, in jeder Form – auch bei Wahlen – teilzuhaben an der Gestaltung der Gesellschaft. Im Jahr 2018 erhielten in Berlin 6500 Menschen die deutsche Staatsbürgerschaft auf diesem Weg. Ein guter Moment, den die Stadträtin des Bezirks Mitte, Ramona Reiser (Linke) für die Neubürger*innen mit einer Willkommens-Zeremonie gestaltet. Ein Ort, ein Tag, an dem die Menschen, die eingebürgert werden, viel über sich und ihren Lebensweg erzählen. Berührend immer. So erzählte es die Stadträtin.
Der AfD ging es aber gewiss nicht darum, als sie vor allem wissen wollte, wie viele der eingebürgerten Menschen Sozialleistungen beziehen. Die Antworten auf die insgesamt elf Fragen beinhalteten im Übrigen Informationen, die samt und sonders öffentlich zugänglich sind, also auch anderweitig erworben werden können. Aber darum ging es nicht. Es ging um „Einbürgerungen trotz Bezugs sozialer Leistungen“. Und das zwei Tage nach Hanau, zwei Tage, nachdem ein Mann – nicht wahllos, sondern gezielt – Menschen ermordete, die aus seiner Sicht und Gesinnung nicht in Deutschland sein und leben sollten. Es wäre ganz sicher ausreichend Zeit gewesen, die Anfrage zurückzuziehen. Aber vielleicht auch gut, dass es nicht getan wurde. Rechte Ansichten verschwinden ja nicht, nur weil sie nicht öffentlich ausgesprochen werden.
Gut, dass am gleichen Tag in der gleichen BVV ein Antrag der Linksfraktion aufgerufen wurde, der vorschlug, künftig Einbürgerungsveranstaltungen größer und noch schöner zu gestalten, ein Fest aus ihnen zu machen, wie es der Bezirk Pankow tut. Der Antrag ging in den Ausschuss, aber er fand Zustimmung. Und ja, vielleicht feiern wir bald in größerem Rahmen gemeinsam die neuen Nachbarinnen und Nachbarn. Es wäre ein Signal mit großem Nachhall und schönem Ton.
In gewisser Weise passt dazu die Diskussion, die geführt werden musste, nachdem es wenige Tage zuvor am Leopoldplatz gebrannt hatte und bei dem Brand das Dach des sogenannten „Trinkertreffs“ zerstört wurde. Ein technischer Defekt ist inzwischen ausgeschlossen. Es hat viel Mühe und Debatten und gemeinsame Anstrengungen gegeben, um diesen Treffpunkt zu erhalten und die Menschen, die ihn nutzen, auch durch Sozialarbeit zu unterstützen, wie man hier lesen kann. Das Bezirksamt hatte schon lange zuvor entschieden, den Menschen zu helfen, anstatt sie zu verjagen und dafür auch Geld bereitzustellen. Das findet nicht den Gefallen aller, was nicht verwerflich ist, denn solche Angelegenheiten werden immer kontrovers diskutiert und brauchen viel Arbeit und Moderation, um tragfähige Kompromisse zu finden. Umso schlimmer, wenn sich herausstellen sollte, dass die Überdachung nicht mal so von ungefähr abgebrannt ist. Ausgrenzung hat ja viele Gesichter. Keines davon ist schön.
Dann ging es um eine großflächige Werbetafel, die Bewohner*innen eines Hauses in der Torstraße sozusagen im Wortsinn das Licht raubt und trotz aller Bemühungen des Bezirksamtes immer wieder neu aufgehängt wird. Viele, die zu dem Zeitpunkt noch immer als Gäste der BVV zuhörten, standen nun auf, um ihren berechtigten Unmut mit Protestschildern zu unterstreichen. Tatsächlich passte dazu auch ein Antrag der grünen Fraktion, Werbung an bewohnten Wohnhäusern zu untersagen. Stadtrat Gothe erklärte das laufende Verfahren gegen die genannte Werbetafel und die Schwierigkeiten, wenn der Eigentümer der Anordnung, sie abzumontieren, nicht nachkommt. Ersatzvornahme ist möglich, dauert aber. Was für die, die im Dunkeln wohnen, nicht allzu beruhigend ist. Vielleicht sollte Berlin doch weitestgehend werbefrei werden. Ein entsprechendes Volksbegehren läuft.
Kathrin Gerlof Mitarbeiterin Carola Bluhm